Beschreibung
„Jeder sucht hier im Moment irgendwas, wo er sich dran klammern kann.“
Eberhard Seidel und Klaus Farin haben in den Jahren der Wende Jugendliche in Ostdeutschland und in den Einwanderervierteln des Westens interviewt, rechte und linke Jugendliche an einen Tisch gebracht. Sie wollten wissen: Was sind ihre Ängste, was ihre Hoffnungen? Ihre Antworten sind von verblüffender Aktualität. Wer den Erfolg des Rechtspopulismus unter den heute 40- bis 55-Jährigen verstehen will, der muss sich das gesellschaftliche Klima vergegenwärtigen, unter dem diese Generation in den Jahren 1989 bis 1994 ihre politische Sozialisation erfahren hat.
Wie reagieren Jugendliche in Ostdeutschland und in Berlin auf die Öffnung der Grenze, auf das Verschwinden der DDR und das Entstehen des neuen Deutschlands? Wie auf Endsolidarisierung und auf rechtliche und soziale Ungleichheit? Was bedeutet für sie Deutsch-Sein? Und gelingt es den deutsch-homogenen Jugendlichen des Ostens, mit den Jugendlichen unterschiedlichster Herkünfte des Westens klarzukommen?
Um Antworten auf ihre Fragen zu finden, reisten die Autoren durch das neue Deutschland. Sie suchten die Jugendlichen an ihren Treffpunkten auf. Sie sprachen mit ihnen und hörten zu, was sie zu erzählen hatten. Die Gespräche wurden geführt, als Medien und Politiker gegen Flüchtlinge hetzten und landesweit Flüchtlingswohnheime und von Türken bewohnte Häuser brannten.
Der Wendejugend kommt in Deutschland bis heute eine besondere Rolle zu. Diese Generation hat die Radikalität ihrer Jugendjahre mit ins Erwachsenenalter genommen. Aus ihr stammen die Wortführer von PEGIDA, die Mitglieder und das Umfeld des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU), und die Altersgruppe der heute 40- bis 55-jährigen Ostdeutschen hat bei der Bundestagswahl 2017, der Europawahl und den Landtagswahlen 2019 am häufigsten die AfD gewählt.
Die Autoren:
Klaus Farin, geboren 1958 in Gelsenkirchen, lebt seit 1980 – Punk sei Dank – in Berlin-Neukölln. Nach Tätigkeiten als Konzertveranstalter und -Security, Buchhändler und Journalist ist er nun freier Autor und Lektor und daneben pausenlos auf Vortragsreisen unterwegs. Er gründete das Archiv der Jugendkulturen, dessen Leiter er von 1998 bis 2011 war, und ist heute Vorsitzender der Stiftung Respekt!.
Der zusammen mit Eberhard Seidel verfasste Band Krieg in den Städten wurde zu einem „modernen Klassiker“ (Ralph Giordano) der Jugendsozialforschung.
Eberhard Seidel, geboren 1955 in Sommerhausen/Franken, lebt seit 1977 in Berlin. Er hat das Standardwerk zur Geschichte des Döner Kebaps in Deutschland verfasst und war in seinem Leben auch schon Experte für Rechtsextremismus, Islamismus und jugendliche Subkulturen. Heute ist er Geschäftsführer von Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage.