Beschreibung
“Thomas Baumgartner rannte die Treppe zur S-Bahnstation
hinunter, weil er hoffte, noch den 19-Uhr-25-
Zug zu erwischen. Wieder einmal hatte Färber, dieser
inkompetente Schleimer, Überstunden angeordnet,
um das China-Dossier fertig zu machen. Wenn es gelang,
den Vertrag abzuschließen, würde man in Zürich
150 Leute entlassen können. Und später konnte
man auch den Hauptsitz redimensionieren, dann waren
sie selber dran …
Gerade als er um eine Ecke bog, tauchte eine dunkle
Gestalt auf, hielt ihm ein kleines graues Büchlein hin
und zischte:
»Gegen die ganze Scheiße!«
»Passt genau«, knurrte Thomas Baumgartner, steckte
das Ding ein und hastete zum Zug.
Die Türen schlossen sich, als er sich auf einen Sitz
fallen ließ und dachte: Zuerst die Idioten in der Firma,
dann die Wahnsinnigen auf den Straßen.
Er war reizbar, müde und hungrig. Was er brauchte,
war nun ein ganz ruhiger Abend vor dem Fernseher
ohne irgendwelchen interessanten Input, dann acht
Stunden tiefen Schlaf.
Doch dazu würde es nicht kommen. Seraina und
Damian, seine beiden kleinen Kinder, würden ihn
lärmend empfangen, ihm ihre neusten Zeichnungen
zeigen, aus dem Kindergarten berichten. Ben, der Labradoodle,
würde ihn freudig bellend anspringen, fast
umwerfen, seine Hosen besabbern und sein Gesicht
ablecken. Fabienne, seine Frau, würde ihm Vorwürfe
über sein Zuspätkommen machen, ihn imaginärer
Seitensprünge bezichtigen und dann von den Katastrophen
des Tages berichten. Sicher war wieder irgendein
Abfluss verstopft. Oder ihr Auto machte ein
komisches Geräusch …”
„Klein – grau – Buch.“
P. M., geboren 1947, wurde mit seinem ersten Roman Weltgeist Superstar (1980) im deutschsprachigen Raum bekannt. bolo’bolo, eine Art Glossar für eine andere Welt, erschien 1983 und wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt. Seitdem erschien eine ganze Reihe von Romanen, Sachbüchern, Spielen und Theaterstücken. Zuletzt bei Hirnkost erschienen: Amberland. Ein Reiseführer (2022) und Von Shesti nach Kifnif (2023).